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Zu Gast bei den Mittagskonzerten in Lüttich: Die Pianistin Cansu Sanlidag bereitet sich auf die Veröffentlichung ihrer ersten Solo-CD vor, 24. März 2025 Sendung: „Entrée des artistes“ von RCF Liège, präsentiert von Christiane de Moffarts
Die aus Izmir stammende Pianistin Cansu Sanlidag tritt am Donnerstag, den 10. April, bei den Concerts de midi in Lüttich zusammen mit Philippe Graffin an der Violine auf. Die Musikerin, die an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und am Koninklijk Conservatorium Brussel studiert hat, ist Gast in dieser Sendung. Sie spricht über dieses zukünftige Konzert, in dem sie und Philippe Graffin sich dafür einsetzen werden, vergessene Stücke und insbesondere unveröffentlichte Stücke von Eugène Ysaÿe ans Licht zu bringen. Cansu Sanlidag lüftet auch den Schleier über ihr 1ᵉʳ-Soloalbum „The Noctural Poet“, das bei Pavane Records aufgenommen wurde und Anfang April erscheinen wird. Ein musikalisches Projekt, in dem sie Philipp Scharwenka als Tanz- und Klangpoeten im Sinne der deutschen Romantik hervorhebt. Im ersten Teil dieses Podcasts finden Sie auch Lorenzo Ferinaiu, der uns in einer Vorpremiere das Programm 2025-2026 der Concerts de midi Liège vorstellt.
„The Nocturnal Poet“, 20. März 2025 - Laurent Petit-Louis Ausgewählt von der Redaktion“ von ConcertoNet wurde für dieses Album verliehen.
Unter den Geschwistern Scharwenka begegnet man vielleicht etwas häufiger - alles ist relativ - dem Namen Xaver (1850-1924) als dem des älteren Philipp (1847-1917). Trotz seines Erfolges als Komponist in den USA widmete sich Xaver vor allem der Theorie und dem Unterricht und leitete fast ein Vierteljahrhundert lang das Scharwenka-Konservatorium (später Klindworth-Scharwenka), das er in Berlin zusammen mit seinem Bruder gegründet hatte, der ebenfalls Pianist war und eine Karriere als Komponist und Virtuose verfolgte.
Dieses unerwartete Album trägt dazu bei, ein ungerechtfertigtes Versäumnis wieder gut zu machen, indem es einen überzeugenden Überblick über sein Klavierwerk bietet, das den größten Teil seines Katalogs ausmacht, der außerdem Lieder, zwei Symphonien, ein Konzert (für Violine - zu finden bei Hyperion -, aber seltsamerweise nicht für Klavier), einige andere Orchesterwerke und Kammermusik enthält, die hauptsächlich nach 1900 entstanden sind. Die auf diesem Album versammelten Klavierwerke wurden hingegen in den 1890er Jahren veröffentlicht.
Die CD hat Philipp Scharwenkas kammermusikalischem Schaffen etwas Gerechtigkeit widerfahren lassen, nicht aber seiner Klaviermusik, die weitgehend terra incognita bleibt, wenn man von einem ersten Band absieht, den Luís Pipa 2020 für Toccata Classics einspielte, der aber bislang nicht fortgesetzt wurde. Klavierstücke, Intermezzi, Balladen, Rhapsodien: ein Erbe oder ein Epigone von Brahms? Wahrscheinlich eher ein einfacher Vertrauter, denn man hört hier mehr das Erbe Schumanns, wie bei dem jungen Strauss einige Jahre zuvor, aber auch Chopins, und zwar mehr im Geist als in der Klaviertechnik oder -schrift - er wurde nicht weit von Poznan (damals das preußische Posen) geboren.
Wenn der Name schon nicht ins Auge sticht, kann auch das Ohr leicht an dieser alles andere als spektakulären Kunst vorbeigehen, die mit großen expressiven oder pianistischen Gesten geizt und sich nicht in komplexen harmonischen Forschungen ergeht. Diese Musik ist intim, vielleicht nicht für Liebhaber, aber zumindest für etwas anderes als den Konzertsaal konzipiert, mit ihrem subtilen Spiel von Licht und Schatten, ihrer unerschöpflichen Zartheit und ihrer umhüllenden Gemütlichkeit. Diese Musik für den Kamin, für das Cocooning, wie man heute sagen würde, nimmt gerne den Ton der Vertraulichkeit an, der von einem Hauch von Melancholie oder Nostalgie umhüllt ist.
Das Album trägt den Titel „Der nächtliche Poet“, was natürlich zu den sechs Stücken aus Scharwenkas letzter Klaviersammlung, den Abendstimmungen, passt. Obwohl sie keinen Titel tragen und nur Tempoangaben enthalten, sind diese Seiten dennoch ausdrucksstark, und es fällt auf, wie fragend beispielsweise das dritte Stück ist, das wie ein Echo von Schumanns „L'Oiseau prophète“ klingt. Auch der Charakter des ausgedehnten Scherzos in den Klavierstücken von Opus 107 erinnert eher an einen Marsch der Gefährten Davids als an leichte Unterhaltung. Die Ballade op. 94, die etwas wirklich Erzählendes hat, verrät ihren Namen nicht - und es ist eine Geschichte, die schlecht endet. Nur die erste der beiden Rhapsodien aus Opus 85 ist etwas romantischer, aber es ist immer noch nicht die Brandung von Brahms' Opus 79.
Doch um diese fesselnde Welt zur Geltung zu bringen, bedarf es eines Klaviers und eines Pianisten. Was das Instrument betrifft, so besticht der für diese Aufnahme gewählte Bösendorfer durch seine Halbtöne, die Fülle seiner nie glitzernden Höhen und die Weichheit seiner Tiefen, in die man sich wie in einen guten Sessel einkuscheln möchte. Was den Interpreten betrifft, so übertreibt Cansu Sanlıdag nicht, lässt sich Zeit, ist sehr sensibel und hat einen geschmeidigen Anschlag, der die Ecken und Kanten dieser ohnehin nicht sehr kantigen Musik noch weiter abrundet.
Da Perfektion nicht von dieser Welt ist, sei zunächst darauf hingewiesen, dass es sich hier nicht um eine „Weltpremiere“ handelt, da drei der Stücke aus Opus 107 bereits 1999 bei Olympia veröffentlicht wurden. Zweitens ist der durchaus interessante Beipackzettel mit seltsamen Wendungen („Herzbeschwerden“, „das Paar Liszt und Wagner“) und Ungenauigkeiten (Arthur Nikkish) behaftet. Vor allem aber ist das Album sehr kurz, obwohl es sicherlich möglich gewesen wäre, auch nur die andere Rhapsodie aus Opus 85 oder die drei anderen Stücke aus Opus 97 aufzunehmen.
Musikerlebnis hinter bröckelnden Mauern, avril 2024
"Zusammen mit zwei jungen Solisten, der türkischen Pianistin Cansu Sanlidag und dem belgischen Cellisten Pierre Fontenelle, wurde den zahlreich erschienenen Zuhörerinnen und Zuhörern ein abwechslungsreiches Programm geboten: Fontenelle spielte zunächst die nostalgische “Elegie für Cello und Orchester” des zeitgenössischen belgischen Komponisten Dirk Brossé, gefolgt von einem weniger bekannten, tief bewegenden Cello-Stück von Max Bruch. “Kol Nidrei” basiert auf dem jüdischen Gebet, das am Vorabend der höchsten Feiertages, Jom Kippur, gebetet wird. Während der Nazizeit wurde der schon 1920 gestorbene Bruch wegen dieser Komposition fälschlicherweise als Jude angesehen, und seine Musik wurde nicht mehr aufgeführt.
Cansu Sanlidag verzauberte anschließend das Publikum mit Beethovens viertem Klavierkonzert, das viele für sein schönstes halten. Den Abschluss bildete Felix Mendelssohn-Bartoldys temparamentvolle “Italienische Sinfonie” – eine angesichts des draußen herrschenden kalten Wetters willkommene Reminiszenz an Wärme und Süden. Das Publikum dankte den Solisten und dem jungen Orchester mit lang anhaltendem Beifall für ein wunderbares Musikerlebnis."
« QUELQUES MUSIQUES PEU COMMUNES » : ARRIEU – CANAL- GRANVAL – SCHARWENKA, 5 April 2025 - Stéphane Loison
Wer kennt Philipp Scharwenka?Er ist ein deutscher Komponist Ende des 19. Jahrhunderts (1847-1917).Sein Werk lässt sich in zwei Perioden unterteilen: In seiner Jugend und Reifezeit komponierte er Genrestücke vor allem für Klavier, später begann er, symphonische Werke und Kammermusik zu schreiben.Sein Stil steht in der Nachfolge von Schumann, Brahms und Chopin!Er war nicht an den großen Bewegungen beteiligt, die die Musik in Österreich und Deutschland erschütterten. Die junge Pianistin Cansu Sanlidag macht dieses schöne Geschenk - The Natural Poet, (Pavane ADW7605) - Mit viel Anspruch und Virtuosität macht sie diesen erstaunlichen Komponisten bekannt. Man kann sie entdecken und ihr Album live hören am 09. April 2025 im Espace Bernanos, 4 rue du Havre 75009 Paris, um 12:45 Uhr. Ein wunderbares Album!
ÉMISSION : “L’INVITÉE DE LA MATINALE” LA PIANISTE CANSU SANLIDAG - 25 MIN, 4 April 2025 - Cécile Poss
« Philipp Scharwenka, The Nocturnal Poet » par Cansu Sanlidag sur le label Pavane, 5 April 2025 - Michel Dutrieue
Çağıl Cansu Şanlıdağ ist für ihr ausdrucksstarkes Spiel und ihre Virtuosität bekannt. Sie hat eine von Präzision und musikalischer Sensibilität geprägte Karriere aufgebaut, in der sie auf vielen europäischen Bühnen aufgetreten ist. Dieses Programm beleuchtet bisher unveröffentlichte Klavierwerke von Philipp Scharwenka (1847-1917) - vergessene Schätze der Musikgeschichte, die sich endlich enthüllen und von ihrer Eleganz und Raffinesse zeugen. Philipp Scharwenka (Bruder des Komponisten und Musikpädagogen Xaver Scharwenka), Komponist und Musiklehrer polnischer Herkunft, wurde zu einer Schlüsselfigur der Berliner Musik des 19. Jahrhunderts. Als verdienter Pianist und angesehener Lehrer war er Mitbegründer des Scharwenka-Konservatoriums. Er hinterließ ein melancholisches und dramatisches Werk, das von einem tiefen inneren Leben zeugt. Sein Einfluss, wenn auch diskret, überschritt die Grenzen von Berlin bis in die USA. Seine Musik verbindet die Welten von Schumann, Brahms und Wagner, denen er polnische Idiome hinzufügt, die er von Chopins Kunst geerbt hat. Seiner künstlerischen Vision treu bleibend, hielt sich Scharwenka in seinen letzten Lebensjahren von der Hektik der Berliner Gesellschaft fern. Ein ästhetischer Rückzug, der nicht auf eine Ignoranz gegenüber der Moderne hindeutet, sondern auf eine Weigerung, „das Neue um des Effekts willen zu verfolgen“. Die Abendstimmungen, die Moritz Mayer-Mahr gewidmet sind, sind vielleicht Scharwenkas intimster musikalischer Ausdruck. Diese Nachtwerke bieten eine introspektive Reise, die mal ruhig, mal unruhig ist und in der der Himmel einer schwarzen Nacht manchmal durch das flüchtige Licht eines Sterns, der die Dunkelheit durchbricht, erhellt wird. Cansu Sanlidag ist eine Pianistin, die für ihr ausdrucksstarkes Spiel und ihre Virtuosität bekannt ist, mit denen sie auf verschiedenen europäischen Bühnen das Publikum in ihren Bann zieht. Sie wurde am staatlichen Konservatorium der Dokuz Eylul Universität in Izmir ausgebildet und vervollkommnete ihre Kunst unter der Leitung von Dalia Ouziel und Aleksandar Madzarat am Königlichen Konservatorium in Mons und am Königlichen Konservatorium in Brüssel. Ihre interpretatorischen Fähigkeiten verbesserte sie weiter, indem sie das Postgraduiertenprogramm der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien bei Markus Hadulla absolvierte. Cansu Sanlidag ist als Solistin mit renommierten Ensembles wie I Musici Bruscellencis, dem Orchestre Philharmonique de Bruxelles und dem Presidential Symphony Orchestra of the Turkish Republic aufgetreten.
Sorties discographiques de musique classique : de Puccini à Scriabine, découvrez la nouvelle sélection, 7 April 2025 - Pierre Solot
Pavane Records veröffentlicht diese Entdeckungs-CD, die der Musik für Klavier solo des deutschen Komponisten Philipp Scharwenka durch die Pianistin Cansu Sanlidag gewidmet ist. Bei Vergleichen würde man in dieser Musik leicht die Verbindung zu Johannes Brahms finden, in den harmonischen Farben, in der Intimität, in der Art und Weise, wie die rhapsodischen Stücke behandelt werden, aber Scharwenkas Musik erweist sich als hautnaher. Der große Erfolg der CD, abgesehen von der erfreulichen romantischen Musik, ist die Art und Weise, wie Cansu Sanlidag es schafft, diese Musik, die wir kaum kennen, auf sehr natürliche Weise zu charakterisieren, indem sie sowohl den virtuosen Momenten leidenschaftlichen Schwung verleiht, aber vor allem den intimeren Ergüssen viel Zärtlichkeit, indem sie immer wieder das warme Licht sucht, anstatt die distanziertere pianistische Flüchtigkeit. Der Gesamteindruck ist der eines raffinierten Klaviervortrags, der von einem absolut ehrlichen Engagement für diese Musik mit ihrem überfließenden Herzen genährt wird.
« ESPACE BERNANOS » : CAGIL CANSU SANLIDAG, 10 April 2025 - Stéphane Loison
Um das Album über Philipp Scharwenka - Pavane ADW7605 - vorzustellen, das diese junge, wunderschöne, türkisch-zypriotische Pianistin aufgenommen hat, organisierte ihre neue Agentur - BSArtist Bettina Sadoux - in diesem schönen Saal des Espace Bernanos ein Konzert im Rahmen der Pause Musicale. Cagil Cansu Sanlidag ist, wie wir bereits auf der Website geschrieben haben, eine warmherzige Pianistin mit großem Talent. Sie hat ihr Recital sehr intelligent konzipiert, indem sie Scharwenka, Reger und Brahms gegenüberstellt. Ein Konzert in einer sehr romantischen Atmosphäre mit den berühmten Klavierstöcken Op.118 von Brahms, von denen sie eine sehr schöne Version gab. Auch Regers charmanter Stegreifwalzer war willkommen. Mit einer eleganten, sinnlichen Berührung und viel Energie brachte sie dem Scharwenka-Publikum diesen Komponisten näher, der aus den Konzerten völlig verschwunden ist. Das ist sehr schade, denn seine Kompositionen zwischen Brahms und Chopin sind wirklich entdeckenswert. Sie live unter den Fingern von Cagil Cansu Sanlidag zu hören, zeigt, dass es eine gute Idee der Pianistin war, sie zu Gehör zu bringen und diese Aufnahme zu machen. Sie sollten sie sich unbedingt zulegen! Vielen Dank, Madame! Das nächste Konzert von CAGIL CANSU SANLIDAG / Scharwenka findet am 23. Mai 2025 in Louvain-La-Neuve statt. Das nächste Konzert im Espace Bernanos findet am Mittwoch, den 30. April 2025 um 12:45 Uhr statt. Sivia Ilves, Cello, Samuel Bezzera, Klavier.
Cansu Şanlıdağ, à propos de Philipp Scharwenka, 27 avril 2025 - Pierre Jean Tribot
Die Pianistin Cansu Şanlıdağ legt uns eine erste CD vor, die Klavierwerken des deutschen Komponisten Philipp Scharwenka (Pavane) gewidmet ist. Diese Wahl besticht durch ihre verlegerische Originalität und das Album überzeugt durch seine musikalische Korrektheit. Crescendo Magazine wollte mehr darüber erfahren und sprach mit dem Künstler.
Was hat Sie dazu motiviert, ein Album den Klavierwerken von Philipp Scharwenka zu widmen? Umso mehr für ein Debütalbum?
Das allererste Mal, dass ich Scharwenka gehört habe, war seine Sonate für Violine und Klavier, op. 114. Und ich erinnere mich sehr genau an diesen Moment: dieses fast unerklärliche körperliche Gefühl, als ob sich etwas in der Brust öffnen würde. Diese Art von Reaktion, die man angesichts einer sehr schönen Melodie hat, die direkt und ohne Umwege zu einem zu sprechen scheint.
Es war keine komplexe oder spektakuläre Musik - im Gegenteil, sie war von einer leuchtenden, fast schamhaften, aber überwältigenden Einfachheit. Und was mich als Nächstes beeindruckte, war die Stille, die sie umgab. Wie konnte eine Musik, die so aufrichtig und richtig war, so lange im Verborgenen bleiben?
Für mich war es offensichtlich, dass dieser Komponist es verdient hatte, wieder gehört zu werden. Und gleichzeitig gefiel mir die Idee, meine Diskografie mit einer starken Geste zu beginnen: eine vergessene, aber zutiefst bewegende Stimme zu Gehör zu bringen. Es war sowohl eine Entscheidung des Herzens als auch eine Art, eine bestimmte Vision des künstlerischen Engagements zu bekräftigen.
Wie haben Sie den Komponisten entdeckt?
Meine Entdeckung von Philipp Scharwenka hängt mit einem etwas unerwarteten Weg zusammen... der mit Eugène Ysaÿe beginnt.
Ich hatte das Glück, an einem Projekt rund um ein kürzlich wiederentdecktes Poème concertant teilzunehmen, ein wunderbares Werk, das wir mit dem Geiger Philippe Graffin aufführen und aufnehmen konnten. Das Gedicht war von dem Musikwissenschaftler Xavier Falques herausgegeben worden, dessen Arbeit absolut entscheidend war.
Das Werk war Irma Sethe gewidmet - einer vergessenen, aber faszinierenden Persönlichkeit - und dank der umfangreichen Recherchen der Musikwissenschaftlerin Marie Cornaz fanden wir heraus, wer sie war. Ihre Geschichte und ihr Platz in der Musiklandschaft ihrer Zeit haben uns so sehr berührt, dass wir sie mit einem Konzert in der Königlichen Bibliothek von Belgien (KBR) ehren wollten.
In diesem Zusammenhang stieß ich bei der Durchsicht der ihr gewidmeten Partituren auf eine Sonate von Philipp Scharwenka, die ebenfalls für sie geschrieben worden war. Die Entdeckung dieses Stücks war ein echter musikalischer Schock - und von da an begann meine Erforschung ihres Werks erst richtig.
Wie wählten Sie die Stücke aus einem Katalog aus, der über 300 Stücke umfasst?
Ich begann damit, Scharwenkas Katalog ohne vorgefasste Meinung zu erkunden, indem ich spielte, mir etwas vorstellte und mich von dem leiten ließ, was die Musik in mir hervorrief. Es ging mir nicht darum, alle Facetten seines Schreibens darzustellen, sondern einen poetischen Faden, ein inneres Porträt zu konstruieren.
Einige Stücke haben sich sehr schnell durchgesetzt, fast wie eine Selbstverständlichkeit, aufgrund ihrer Beschwörungskraft, ihrer Aufrichtigkeit und ihrer schlichten Schönheit. Nach und nach hat sich ein Universum herauskristallisiert - aus subtilen Kontrasten, Licht und Schatten, lyrischen Ausbrüchen und schwebenden Momenten.
Der Titel des Albums lautet „Der nächtliche Poet“, können Sie uns das erklären?
Dieser Titel hat sich im Laufe der Aufnahmen auf natürliche Weise herauskristallisiert. Scharwenka hat eine ganz besondere Art, die Stille singen zu lassen, die Musik atmen zu lassen. Eine Form von Schamhaftigkeit im Ausdruck, wie eine innere Stimme, die keinen Glanz braucht, um erschütternd zu sein.
„Poet“, weil sich seine Musik an das Intimste wendet. Sie erzählt keine Geschichten im narrativen Sinne, sondern ruft Gemütszustände, Empfindungen und innere Landschaften hervor. Und „nächtlich“, nicht nur im musikalischen Sinne, sondern wegen des sanften, fast mondähnlichen Lichts, das seine Werke durchzieht.
Es ist keine Musik, die sich aufdrängt, es ist eine Musik, die wacht - die einen sanft begleitet, lange nachdem sie verstummt ist.
Das Werk von Philipp Scharwenka ist außerhalb der Erwähnungen in Musikgeschichten kaum bekannt. Glauben Sie, dass seine Zeit kommen wird?
Ich möchte das gerne glauben. Es gibt heute eine echte Wiederentdeckungsbewegung, eine wachsende Neugier auf vergessene Stimmen, auf Repertoires, die im Schatten der „großen Namen“ geblieben sind. Und Scharwenka ist einer dieser Komponisten, die nicht wegen mangelnden Talents aussortiert wurden, sondern einfach, weil die Geschichte oder die Mode andere Wege eingeschlagen haben.
Seine Musik hat alles, um das heutige Publikum zu erreichen: Sie ist aufrichtig, zugänglich, ohne banal zu sein, subtil, ohne hermetisch zu sein. Aber damit seine Zeit „kommt“, müssen auch Musiker die Führung übernehmen, die Werke zirkulieren, wieder gespielt und geteilt werden.
Das ist eine geduldige, aber zutiefst begeisternde Arbeit. Und wenn dieses Album auch nur ein wenig zu dieser Wiederentdeckung beitragen kann, dann würde mich das sehr freuen.
Haben Sie bereits weitere Projekte in der Pipeline?
Ja, ein zweites Aufnahmeprojekt ist in Vorbereitung, das sich vom ersten unterscheidet. Ich möchte mehrere Werke aus dem großen Repertoire erforschen, wobei ich mich diesmal von einem einzelnen Komponisten entfernen und in größere musikalische Welten eintauchen möchte.Das Projekt wird Stücke mit chorischen und kontrapunktischen Texturen vereinen, verschiedene Werke, die hoffentlich eine gemeinsame emotionale Tiefe haben. Was mir besonders am Herzen liegt und was ich als das ultimative Ziel der Musik betrachte, ist, Emotionen zu wecken, egal welche.Für mich muss jede Note und jedes Werk berühren, bewegen und diese tiefe Aufrichtigkeit vermitteln, die ich beim Spielen empfinde.
Philipp Scharwenka a trouvé sa pianiste, 31 avril 2025 - Jean-Marc Warszawski
Aufgenommen am 26. bis 28. Oktober 2024, Mons, Arsonic Hall.
Philippe Scharwenka, geboren 1847, Pianist und Komponist, war von Berlin aus bekannt, wo er an dem von seinem Bruder Xaver gegründeten Konservatorium unterrichtete, bevor er dessen Leitung übernahm. Er hinterließ einen Katalog mit 120 Nummern (ca. 300 Stücke), in allen Genres und viel für das Klavier, darunter nicht wenige für den bürgerlichen Salon und nicht zu vergessen die jugendlichen Lehrlinge. Obwohl er heute nicht völlig unbekannt ist, sind seine Werke in Konzert- oder Schallplattenprogrammen nur marginal oder als „Lückenfüller“ vertreten.
Dann überrascht uns die Pianistin Cansu Sanlidad mit wunderbaren virtuosen Werken, die einen raffinierten und zutiefst poetischen Stil aufweisen, mit einer berührenden Expressivität, nicht besonders melodisch, aber prächtig in Harmonien und Figurationen. Wer ein wenig Geschichte im Ohr hat, könnte darin eine Hommage an oder einen zusammenfassenden Schwanengesang auf die vorangegangene Generation hören: Robert Schumann, Frédéric Chopin, Franz Liszt, Felix Mendelssohn.
Gefühle durch Musik so perfekt auszudrücken wie durch geschriebene Poesie, war der Traum der Madrigalisten, ein Vorhaben, das sich auch im Genre der wortlosen Romanze wiederfindet. Philipp Scharwenke und Cansu Sanlidag haben die Messlatte sehr hoch gelegt.
Denn es ist offensichtlich, dass Cansu Sanlidag einen großen Anteil an diesem musikalischen Erfolg hat, durch die Auswahl der Stücke, aber vor allem durch ihr vitales (und virtuoses) Engagement, wir werden es mangels eines besseren Begriffs „romantisch“ nennen, wo alles Erzählung, Poesie, Emotion und Freiheit in tausend Nuancen bis zur Berührung ist. Wir sind überwältigt von dieser seltenen Osmose zwischen einem Werk und einer Interpretin.
Sie stammt aus Izmir (Smyrna) und hat vor allem in Belgien, in Mons und am Königlichen Konservatorium in Brüssel (auch an der Universität für darstellende Kunst in Wien) studiert. Sie tritt vor allem in Belgien auf, wo sie Rezitale, Kammermusik und Orchesterkonzerte gibt, und unterrichtet an der Near East University in Nord-Nikosia.
Cublai, l'opéra interdit de Salieri, 6 mai 2025 - Emilie Munera, Rodolphe Bruneau-Boulmier